A multi-method study of consumer behavior : towards a better understanding of the consumer's persperctive on online grocery shopping
Güsken, Sarah Ranjana; Piller, Frank Thomas (Thesis advisor); Jeschke, Sabina (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2020, 2021)
Doktorarbeit
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2020
Kurzfassung
Der SARS-CoV-2 Ausbruch im Jahr 2020 hat die Welt verändert. Während dies auf die meisten Unternehmen negative Konsequenzen hatte, profitierten Unternehmen deren Geschäftsmodelle eine Kontaktvermeidung ermöglichen. Eines dieser Geschäftsmodelle ist der Online Lebensmittelhandel. Verhaltensänderungen und Geschäftsmodellwandel, sind besonders dann von wissenschaftlichem Interesse, wenn sie durch Krisen verursacht werden und besonders schnell ablaufen. Die Analyse solcher Veränderungen hilft die Mechanismen von Kund*innenverhalten und Strategiewechseln von Geschäftsmodellen besser zu verstehen. Zwar dient dies nicht als Beitrag zur Krisenvorhersage, jedoch helfen die Erkenntnisse dem Verständnis von Verhaltensmusstern und Strategieentwicklungen in Krisenzeiten und stärken die Widerstandsfähigkeit gegenüber folgenden Krisen. Die SARS-CoV-2 Pandemie zeigt sich hier als Beschleuniger eines Prozesses, welcher getrieben durch die Digitalisierung den Online Lebensmittelmarkt zu einem sich schnell verändernden und aufbrechenden Markt mit hohem Wachstumspotential gemacht hat. Der Lebensmittel-Einzelhandelssektor ist mit einem Umsatz von 209,8 Milliarden Euro der größte Vertriebskanal in Deutschland. Der Anteil an über das Internet erworbenen Lebensmitteln ist gegenwärtig sehr gering. Nur 1,4% der Lebensmittelverkäufe werden aktuell über Online-Verkaufskanäle umgesetzt. Dies ist erstaunlich, da E-Commerce in vielen anderen Industrien wie Mode, Unterhaltung oder dem Bankenwesen bereits vollständig etabliert ist. Darüber hinaus werden durch die demografische Entwicklung westlicher Staaten neue Formen der barrierefreien Lebensmittelversorgung in Zukunft immer größere Bedeutung gewinnen. Der Online-Lebensmittelhandel ist wegen seiner sozialen und wirtschaftlichen Relevanz ein hoch interessanter Forschungsbereich, dem sich in den vergangenen Jahren viele international forschende Wissenschaftler*innen gewidmet haben. Ein Großteil der Forschungsarbeiten beschäftigt sich mit landesspezifischen Daten von Online-Konsument*innen und Händler*innen, beispielsweise aus den USA oder dem Vereinigten Königreich. Das spezifische Verhalten von deutschen Online-Kund*innen und diesbezüglichen Geschäftsmodellen wird jedoch nur vereinzelt adressiert. Die Zielsetzung dieser Dissertation ist die Erweiterung des bestehenden Forschungsstands zum Online-Lebensmittelhandel in Deutschland. Hierfür wird ein ganzheitliches Verständnis der Strukturen der Konsument*innenakzeptanz, der Nutzungsintention sowie der individuell beeinflussenden situativen Faktoren angestrebt. Diese Erkenntnisse fließen in Entscheidungshilfen zur Gestaltung von erfolgreichen Geschäftsmodellen ein. Im Rahmen von drei wissenschaftlichen Aufsätzen kommt ein interdisziplinärer Methodenmix zum Einsatz, der quantitative und qualitative Forschungsinstrumente umfasst. Der erste Aufsatz entwickelt ein Forschungsgerüst, das die Kerntreiber der Nutzungsabsicht des Online-Lebensmitteleinkaufs deutscher Kund*innen betrachtet. Dazu werden Prädiktoren des Technologie-Akzeptanz-Modells 3 genutzt und mit externen Variablen kombiniert. Darüber hinaus werden Faktoren ergänzt, die im Rahmen von qualitativen Konsument*innenworkshops erarbeitet wurden. Dieses Forschungsgerüst wird mit Daten aus einer Online-Umfrage mit 213 Teilnehmer*innen evaluiert. Zur Datenanalyse wird die Methode der partiellen Regression der kleinsten Quadrate aus der Strukturgleichungsmodellierung genutzt. Zusammenfassend erklärt das Forschungsgerüst 41% der Variable Nutzungsabsicht des Lebensmitteleinkaufs für Kund*innen, die bereits Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben, und 43,4% für Kund*innen, die noch keine Erfahrungen im Online-Lebensmitteleinkauf gesammelt haben. Die Ergebnisse implizieren die Existenz zusätzlicher, über das entwickelte Forschungsgerüst hinausgehender Faktoren. Der zweite Aufsatz untersucht deshalb unter Einsatz von Forschungstagebüchern die Kund*innenerfahrungen während des Online-Lebensmitteleinkaufs. Durch induktive sowie deduktive Analyse der Daten wird herausgearbeitet, dass sich die verhaltene Nutzung von Online-Lebensmittel-Geschäften in einer unzureichenden technischen Nutzbarkeit der angebotenen Anwendungen sowie in einer nicht hinreichenden Lieferabdeckung begründet. Durch unvollständige Produktsortimente, unzureichende Lieferverlässlichkeit und -flexibilität wird dann die Integration von Online-Lebensmitteleinkäufen in das tägliche Leben zusätzlich erschwert. Außerdem zeigt sich, dass derzeitige Geschäftsmodelle die Spontanität der Kunden während des Einkaufs nicht ansprechen. Die sich im Laufe der Studie entwickelnde Corona-Krise wird durch die Studienergebnisse als positiver wie auch negativer Einfluss auf die Nutzung von Online-Lebensmittel-Geschäftsmodellen identifiziert. Der dritte Aufsatz wechselt die Betrachtungsperspektive und untersucht systematisch die Struktur von 40 am Markt operierenden Online-Lebensmittel-Geschäftsmodellen. Aus dieser Analyse werden 60 reguläre und 19 krisengetriebene Online-Lebensmittel-Geschäftsmodellmuster extrahiert. Die 19 krisengetriebenen Muster beschreiben die Reaktionen der Geschäftsmodelle auf die SARS-COV-2-Pandemie. Zur Strukturierung der extrahierten Muster wird eine Taxonomie entwickelt und in das Schema einer morphologischen Box überführt. Für die praktische Dissemination wird ein Vorgehen in sieben Schritten vorgeschlagen. Um die Ergebnisse des dritten Aufsatzes mit denen der beiden anderen Aufsätze zusammenzuführen, werden die extrahierten unerfüllten Kund*innenbedürfnisse mit den Geschäftsmodellmustern in Beziehung gesetzt. Anschließend werden diejenigen Geschäftsmodelldimensionen hervorgehoben, die einen hohen Anpassungsbedarf zur Realisierung eines erfolgreichen Geschäftsmodells aufweisen. Insgesamt ergänzt diese Dissertation die Literatur über Online-Lebensmittel Einkaufsverhalten und Geschäftsmodelle und trägt zu einem Verständnis von Nutzungsabsicht, Technologieakzeptanz sowie dem mangelnden Erfolg von Online-Lebensmittel-Geschäftsmodellen bei. Nach Untersuchung des Konsument*innenverhaltens zeigt sich die Bedeutung kundenzentrierter Geschäftsmodelle. Durch die Analyse des durch COVID-19 hervorgerufenen veränderten Einkaufsverhaltens und erfolgten Anpassungen der Geschäftsmodelle, trägt diese Dissertation zudem zum Forschungsfeld der durch die COVID-19 Krise getriebenen Verhaltensmechanismen bei.
Einrichtungen
- Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau [416910]
- Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Technologie- und Innovationsmanagement [812710]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-12141
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-12141